11 - Tage im Zug

Weiterfahrt nach Bunbury

Ich bekam einen Lift zum Hauptbahnhof in Perth. Lief zum Schlater, um mein Ticket abzuholen, aber da war kein Ticket für mich, weder auf meinem Namen, noch auf Susans. Ich war verwirrt und nannte dem Beamten meine Reservierungsnummer. Er klärte mich auf, das mein Ticket von einer anderen Gesellschaft ausgestellt wurde, nämlich der TransWA und ich zum Schalter um die Ecke müsste. Das waren nur gut 100m. Mein Ticket war da und ich war sogar noch etwas früh.

Bis nach Bunbury waren es etwa 170km und die Fahrt dauerte 2 1/2 Stunden. Abends gegen 20:30 Uhr sollte ich ankommen. Die Verbindungen sind nicht besonders gut. Nur zweimal am Tag fährt der Zug. Ein Bus fährt nicht wesentlich öfter und dauert zu dem noch eine Stunde länger.

Als ich nun in Bunbury ankam, war es dunkel, von meiner Gastfamilie keine Spur. Ich sah wie der Zug abfuhr. Dann kamen sie plötzlich doch um die Ecke: Susan mit Helen auf dem Arm, Mark und Mathilde, das jetzige AuPair aus Dänemark. Die Kinder waren bereits im Schlafanzug, aber ins Bett wollten sie nicht, dafür waren sie zu aufgeregt.
Mathilde nahm mich kurz zur Seite und sagte mir, wie besorgt Susan um mich wäre. Tatsächlich zweifelte Susan bereits daran, dass ich kommen würde. Mein Handy sei immer aus und auf Emails antwortete ich auch nicht mehr. Es stimmt, Internet Zugang hatte ich zuletzt in Adelaide vor über eine Woche und außerdem habe ich es versäumt Susan meine neue Handynummer zu geben. Sie hat immer noch die Nummer des Handys, das in der Kanalisation von Sydney herumschwimmt. Susan muss bei der Geschichte schmunzeln, denn Mathilde ist etwas ganz ähnliches passiert. Das Eis ist gebrochen

Ansturm in Perth

Ich sitze wieder im Zug. Nur noch eine Nacht bis Perth. Mal wieder eine schlaflose Nacht. Ich habe versucht mich im Aufenthaltswagon langzulegen. Liegen ist erlaubt, schlafen allerdings nicht, da half auch mein Buch zur Tarnung nicht viel. Ich wurde auf meinen Platz verwiesen.

Am nächsten Morgen tauschte ich dann auch die Adresse mit meiner Sitznachbarin aus und erfuhr so nach 35 Stunden auch endlich ihren Namen. Sie heißt Azure und hast es wenn ihr Freund sie Az nennt. Dafür habe ich volles Verständnis. Az klingt wie Ass und das bedeutet anders als Arsch. Welch Ironie wenn er dann sagt: "Ich lieb dich, Arsch"

Als der Zug in Perth einrollte, war der Ansturm riesig. Nicht aber etwa unbedingt nur von Verwandten. Am Bahnsteig türmten sich die Hostelbesitzer. Ich sagte glaube ich an die zehn Mal, nein danke ich habe ein Hostel gebucht. Von meinem Hostel war aber niemand da, der mich abholte. Deshalb griff ich zum Telefon, als mich wieder einer dieser nervigen Typen anquatschte. Mein Hostel lag nur 500m vom Bahnhof entfernt, allerdings vom Hauptbahnhof und ich stand am Ostbahnhof. Irgendwann gab ich auf. Hier waren Leute, die ein Zimmer 5$ billiger anboten und mich zudem gleich mitnahmen.

Das Hostel, in dem ich letztendlich landete war die totale absteige. Die Zimmer heruntergekommen, die Bäder dreckig und voller Keime und die Küche ebenso wiederlich. Zum Glück bleibe ich nur zwei Tage, bis ich nach Bunbury fahre. Und dann gibt es noch ein paar Haken. Zum einen wurde mir versichert, dass ich kostenlos das Internet nutzen könne. Stimmt, allerdings stehen die Computer nur für zwei Stunden zur Verfügung, wenn das Büro offen ist und jedem Bewohner nur für 15 Minuten, wenn man das Glück hat in die Stadt zu kommen. Frühstück inkl. Stimmt auch, kommt aber darauf an, was man unter Frühstück versteht. Die Hostelbesitzer stellten drei Pakete Sandwichtoast, ein riesiges Glas Marmelade, eine Kanne Tee und eine Kanne Kaffee zur Verfügung und das für etwa 50 Gäste.
Außerdem lag das Hostel nicht direkt in der Innenstadt und geklaut wurde auch noch. Kleidung von der Leine, Lebensmittel aus der Küche und andere Sachen aus den Zimmern. Aber wenn wir mal ehrlich sind ist es kein Wunder. Wer übernachtet denn schon in der billigsten Absteige von ganz Perth? Doch die, die sowieso Pleite sind und sich nichts leisten können.

Ich habe Perth nicht richtig genießen können. Lief ein wenig durch die Geschäfte, setzte mich mal ins Café oder ging einfach spazieren. Im stillen habe ich überlegt Susan unzurufen, ob ich nicht eher kommen könne, aber was sind schon zwei Nächte und außerdem hat sie meine Zugtickets schon bezahlt.

Kalgoorlie

Es ist bereits nachts als wir in Kalgoorlie-Boulder eintreffen, aber immer noch 30 Grad. Der Bahnsteig menschenleer, bis auf die Zugreisenden versteht sich. 3½ Stunden Aufenthalt haben wir hier und ich habe lange überlegt, wie ich die Zeit nutze. Letztendlich habe ich mich entschlossen eine Goldgräbertour zu machen, auch wenn es bereits Dunkel war. Ich habe mir halt gedacht, das die Minen eh unterirdisch beleuchtet sein müssen.

Ich und meine Sitznachbarin waren aber nicht die einzigen, die die Tour buchten. Insgesamt zwei Doppeldecker und einen einfach Bus haben wir voll bekommen und zogen durch die Straßen. Es war ein Stadtführung bei Nacht. Und man sah, was man halt im Licht der Strassenlaternen sehen konnte. Am besten beleuchtet war dabei der Rotlichtbezirk und ein Mann aus den hinteren Reihen des Busses rief: "That would have been a better place spending time" zu deutsch: An dem Ort hätte ich besser meine Zeit nutzen können.
Kalgoorie lebt noch heute vom Goldgeschäft und ist mittlerweile so groß geworden, das sie mittlerweile mit der Gemeinde Boulder zusammengewachsen sind. Nur dass sich die Einwohner von Boulder entschieden dagegen wären sollen etwas mit Kalgoorie gemeinsam zu haben. Sie hätten sogar einen eigenen Flugplatz und könnten in ihrem Leben die Welt bereisen, ohne jemals in Kalgoorie gewesen zu sein. Keiner der beiden Gemeinden wollte jedoch seinen Namen aufgeben und zu heißt die Stadt heute Kalgoorie-Boulder. bekannt allerdings nur unter dem Namen Kalgoorie.

Minen gibt es nicht in Kalgoorie, nur riesige Steinbrüche die so tief unten sind, dass die riesigen Maschinen aussehen wie kleine Spielzeugbagger in Wahrheit aber deren Reifen bereits größer sind, als ein Erwachsener Mensch.
Ist an einer Stelle das Gold abgegraben, puddelt man an anderer Stelle weiter. Sollte dies zufällig der Vorgarten von irgendjemanden sein Pech gehabt. Da wird mal ebenso ein ganzes Viertel umgesiedelt. Den Bewohnern macht es wenig aus, denn 80% der Einwohner lebt sowieso vom Goldhandel.

Viel konnte ich wirklich nicht sehen vom Steinbruch und von der Stadt ansich und ich begnügte mich, dass ich die Bilder abphotografierte, als Erinnerung das ich überhaupt hier war. Für mich war die Tour ziemlich unnütz.

Nullabour Plain

Gemeint ist die Wüste Australiens, Tausende Quadratkilometer flaches Land dicht über dem Meeresspiegel. Ich blicke auf orangefarbene bis rote Erde, hier und da ein paar Sträucher, aber nichts besonderes. Ich esse mein halbes Baguette von Subway, was ich mir von gestern aufgehoben habe, nicht zu empfehlen sage ich euch. Die gesamte Soße ist ins Brot eingezogen und von Frische kann auch nicht mehr die Rede sein. Vielleicht war es auch einfach nicht kühl genug, obwohl die ganze Zeit die Klimaanlage läuft.

Ich versuche ein wenig zu schlafen. Als ich wieder wach bin hat sich draußen nicht viel verändert. Wir sind seit Cook bestimmt 200km gefahren haben die Grenze nach Westaustralien überschritten, aber die Landschaft sieht noch haargenau gleich aus. Mit etwas Glück entdeckt man vielleicht ein Kängeruh oder gar ein Dromedar, aber soviel Glück habe ich nicht. Wir fahren auf eine schnurgerade Strecke, der längsten der Welt übrigens. Hunderte von Kilometern einfach nur gerade aus. Mit meiner Sitznachbarin unterhalte ich mich über alles mögliche. Sie kommt aus England, wohnte wochenlang in einer WG in Sydney und hatte einen Mitbewohner der irgendwie auf sie Stand. Er ginge automatisch davon aus, dass sie auch was von ihm wolle und nur weil sie mal Sex mit ihm hatte. In Perth hole sie ihr Freund ab, der aber von der ganzen Geschichte keine Ahnung hat. Die armen Kerle denke ich mir nur. Ein bis zwei Stunden später kenne ich ihre ganze Lebensgeschichte so ziemlich von ihrer Kindheit bis zum heutigen Tag, aber eine Kleinigkeit scheint sie dabei vergessen zu haben. Ich kenne immer noch nicht ihren Namen und finde es auch etwas spät danach zu fragen, nachdem ich gut 15 Stunden neben ihr sitze und ihre sexuellen Vorlieben kenne. Ich pflüchte ihren Gesprächen und mache mich auf in den Aufenthaltswagen.

Rechts und links sind lange Bänke und hier und da stehen kleine Runde Tische davor. In der Ecke hängt ein Fernseher von der Decke, natürlich ausgeschaltet, aber wahrscheinlich laufen da eh nur Werbevideos. Ein Pärchen beklebt schon mal sein Photoalbum, das nenne ich effektive Nutzung der Urlaubszeit. Man kommt auf dem Heimischen Flughafen an und hat das Photoalbum bereits fertig im Handgepäck. Eine junge Frau ist gerade dabei Postkarten zu schreiben. Auch lustig ein Motiv von Sydney und später kommt noch ein Stempel von Perth darauf. Liegen ja auch nur ca. 4400km zwischen den Städte. Kleine Abteile gibt es auch. Eins ist total verraucht und in dem anderen sitze drei Japanerin kichernd vor einem Spiel. Na wenigstens die habe hier ihren Spass. Ich setze mich auf eine lange Bank und lese mein Buch. Im Stillen überlege ich hier nächste Nacht zu schlafen, denn hier könnte ich wenigstens mein Beine ausstrecken.

Abends setze ich mich in den Speisewagen. Vor den Fenstern tut sich langsam etwas. Es erscheinen mehr Büsche und sogar kleine Bäume. An meinem Tisch sitzt ein älteres Ehepaar. Sie sind auch auf dem Weg nach Bunbury, um ihre Tochter und Familie übers Wochenende zu besuchen. Sie finde diese Zugfahrt herrlich. Kein Wunder, für sie ist es ein rollendes Hotel, denn sie haben ja auch zu zweit ein Liegeabteil und müssen nicht wie ich zwei Nächte im Sitzen verbringen, aber ich halte lieber meinen Mund. Sie klären mich ein wenig über den Nullabour Plain auf, dessen Aussprache ich nun zum ersten Mal höre. Vor Millionen von Jahren war diese Ebene noch Ozean und die vielen weiß, leicht bläulichen Büsche seien Salzbüsche. Das Grundwasser und der Sandboden wären nämlich immer noch salzhaltig. In Cook hätte ich mal die Gelegenheit gehabt an einem zu lecken. Komisch irgendwie habe ich in Cook nicht das verlangen gehabt durch die Wüste zu stiefeln und an ein paar der Büschen rumzulecken, aber wem es Spass bringt sollst nur tun.

Cook

Morgens um 10, 11 oder wie auch immer erreichen wir Cook eine Geisterstadt in Südaustralien und Knotenpunkt für die Farmen im Outback. Wir haben zwei Stunden Aufenthalt, um die “Stadt“ zu erkunden, während Postpakete und Lebensmittel für die Farmen der weitläufigen Umgebung entladen werden. Es ist heiss, gefühlt ungefähr 35 Grad vielleicht heißer. Das Thermometer zeigt aber gute 48 Grad an und im Wetterbericht wurde gesagt 40 Grad im Schatten, so hieß es zumindest in der morgendlichen Durchsage des Zuges. Das sich das Ganze dann doch nicht ganz so heiß anfühlt, muss an der Trockenheit liegen.
Anfang der 90ziger lebten Cook noch viele Familien, Farmer und Geschäftsleute. Dann kam der Umbruch, viele zogen weg, Schule und Krankenstation wurde geschlossen die restlichen Kinder wurden eine zeitlang über Funk unterrichtet, die ärztliche Versorgung erfolgt nur noch durch die fliegenden Ärzte und heute ist die Einwohnerzahl auf gerade mal 4 Leute gesunken. Zwei Ehepaare, die Männer arbeiten bei der Eisenbahn im Schichtbetrieb, drei Tage im Dienst zwischen Cook und Perth bzw. Adelaide dann drei Tage frei. Die Frauen sind stolze Besitzer eines Souvenirladens, der eigentlich auch nur alle drei Tage für zwei Stunden geöffnet ist. Sie bestätigen das Temperaturen um die 50 Grad im Sommer, hier in der Wüste keine Seltenheit seien und Eis ließe sich immer am besten verkaufen.
Ich laufe durch die staubigen Straßen des Ortes. Viele leerstehende Häuser, ein altes Hemd auf einer Leine, das wohl vergessen wurde, aber wofür der Besitzer nicht extra Hunderte von Kilometern zurückfährt. Die Schule steht noch, aber die Räume haben weder Tische noch Stühle, aber dafür hängen noch alte Zeichnungen der Kinder an den Wänden. Die Spielgeräte sind angerostet und gammeln vor sich hin. Ein Hund sprintet durch die Gärten, die lange nicht mehr bewässert wurden. Eins ist klar, Hunde, Katzen, und Hühner gibt es hier mehr als Menschen und haben sich ihre Freiheit erkämpft. Man findet sie auf Strassen, in Häusern und fühlen sich genauso wohl wie die vier Millionen Fliegen in Cook.
Vor dem Zug positionieren sich die Reisenden für ein Photo. Und zum ersten Mal, so außerhalb der Großstadt und im Tageslicht erkennt man die volle Länge des Zuges. Ganze 708m, kein wundert das der Zug im Durchschnitt nur 110km/h fährt. Die meisten Touristen wollen nur ein Erinnerungsphoto, aber einige hoffen auch auf die Chance den Photowettbewerb zu gewinnen. Einmal im Jahr wird das skurrilste, eingesendete Photo mit 500$ belohnt. Viele breiten die Arme aus wie der Adler, der die Wagons schmückt und das Symbol des Indian Pacifics ist. Ich versuche auch mein Glück und hänge mich an die Lok, als ob ich mitgerissen wurde und lege mich auf die Scheinen unter die Lok, als ob ich gerade überfahren werde. Ob ich damit Erfolg haben werde?
Der Zug pfeift, alle steigen ein und freuen sich auf die über 1500km die noch vor uns liegen. Mir wird bei dem Gedanken bewusst, wie klein Deutschland eigentlich ist.

Alles einsteigen ... Uhren stellen

Endlich rollt der Zug ein, alle im Wagon schlafen, der Zug ist ausgebucht. Im Schein der Notleuchten verstaue ich mein Gepäck, setze mich auf meinen Gangplatz und versuche ein Auge zuzudrücken. In dieser Nacht schlafe ich nur wenige Stunden, vielleicht zwei und drei. Mein Nacken ist steif, die Sonne scheint bereits und ich mache mich im Bad frisch. Als ich zu meinem Platz zurückkehre lächelt mich meine Sitznachbarin an. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg in den Speisewagen, aber der hat um 8.30 Uhr immer noch nicht geöffnet. Das Zugpersonal weist mich darauf hin, dass die Uhr im Indian Pacific anders tickt. Der Zeitunterschied zwischen Südaustralien und Westaustralien beträgt jetzt im Sommer 2½ Stunden. Damit man sich besser umstellen kann, wird die Uhr aber nicht einmalig, sondern immer stückweise umgestellt, sobald die Durchsage ertönt. Kein Wundern, das der Zug bei soviel Durcheinander öfters mal ein bis zwei Stunden Verspätung hat. Wahrscheinlich hatte mal wieder der Lokführer vergessen seine Uhr zu stellen.
Ich nehme mir die Zuglektüre zu Händen und studiere die Statistiken. Zwei Lokomotiven ziehen 25 Waggons mit Hunderten von Passagieren an Bord. Die Strecke des Indian Pacific ist 4352 Kilometer von Sydney über Adelaide bis Perth. Und weil die Strecke eingleisig ist, fährt der Zug nur alle drei Tage. Zum Glück fahre ich nur von Port Augusta bis Perth, was nur nach fast 2700km ist. Kommen wir ohne Verspätung an, dauert die Fahrt 37 Stunden. Wie schlage ich mir nur die Zeit tot? Erst mal mit Frühstücken.

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Aktuelle Beiträge

Thank you for your participation...
Thank you for your participation تميز متصفح جوجل...
staryou - 3. Apr, 01:39
Toll Toll
Hallo Steffi Bin zwar erst heute auf deine Site am...
schopaka - 13. Apr, 14:59
Wieder daheim in Deutschland....
Wieder daheim in Deutschland. Zu erreichen bin ich...
Steffibaer - 22. Dez, 00:39

01 - v. Nordholz n. Tingalpa
02 - Brisbane & Umgebung
03 - Auf n. Secluded Springs
04 - Whitsunday
05 - Bowen
06 - Magnetic Island
07 - Tropen Queenslands
08 - Sydney
09 - Mildura
10 - South Australia
11 - Tage im Zug
12 - Spass in Bunbury
13 - Wieder in Deutschland
guestbook
Kontakt
Meine Jobs
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren